Von: Thomas Kohlruß
21.11.2013

Die amerikanischen „Kollegen“ von Progarchives haben so eine Kategorie „crossover prog“, da landen so Alben wie „The River – Both sides of the story“. Nicht unpraktisch, denn bei „uns“ muss man da öfters „New Artrock“ oder „Postrock“ oder „Rock-Pop-Mainstream“ bemühen oder eine Kombination daraus... was ich aus „The River – Both sides of the story“ gemacht habe, dass kann man ja im Statistikteil nachlesen. Marco De Angelis ist schon viele Jahre im Geschäft, als Komponist, als Produzent, als Ton-Ingenieur, als Musiker. Da war es an der Zeit für ein eigenes Album. Und trotz seiner Begeisterung für den klassischen Progressive Rock britischer Prägung Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre versucht er nicht diesen zu imitieren. Ein Retroprog-Werk liegt also wahrlich nicht vor. Im Gegenteil „The River...“ klingt sehr modern, zeitgemäß in seinem Klanggewand. Rückbezüge kann man eher zu den Hochzeiten des Alan Parsons Project oder zu den späten Gilmour-Pink Floyd ziehen. Gerade „Take It Away“ klingt wie ein Überbleibsel aus den „A Momentary Lapse of Reason“-Sessions. So trifft elegante, oftmals elegisch-verträumte Gitarrenarbeit (stilistisch immer wieder an David Gilmour erinnernd) auf epische Melodiebögen, unterlegt mit moderat vertrackter Rhythmik. Die mal kreischende, mal säuselnde E-Gitarre und sanft flirrende, flächige Tastenklänge bestimmen wesentlich den Klang. Die Songs kommen gefällig, nicht beliebig daher, sind aber eher weniger überraschend. Marco De Angelis, der die überwiegende Anzahl der Instrumente selbst spielt, und sein Drummer Cristiano Micalizzi agieren geradlinig, melodic-rockig, aber trotzdem auf charmante Weise nicht einfältig oder stumpf. Es ist halt irgendwie angeproggter Melodic Rock. Dem Hardcore-Progger sicherlich zu leichtgewichtig, aber wer gerne mal im melodiösen schwelgt oder einfach „nur“ gut, unblöde unterhalten werden will, der ist ziemlich richtig. Ein paar elektronische Sperenzken als Synapsenreizer gibt’s dann doch noch oben drauf, man muss ja auch Atmosphäre schaffen. Unterstützt wird das Ganze vom hervorragenden Sänger Marcello Catalano. Dessen angenehme und ausdrucksvolle Stimme passt ideal zur Musik, sorgt aber nochmals für einen deutlichen Ruck in Richtung Melodic Rock. Die beunruhigende Anzahl an Background-Sängerinnen verhalten sich glücklicherweise recht dezent. Wenn man nicht allzu puristisch an die Sache heran geht, ist „The River – Both sides of the story“ ein sehr unterhaltsames, moderat vertracktes, angeproggtes Melodic Rock-Album geworden. Macht (mir) Spaß!

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